Ludwigsburger Kreiszeitung vom 23.01.2010
Der Wehr- und Zivildienst soll von neun auf sechs Monate verkürzt werden. „Das ist ein Fehler“, sagte Landesbischof Frank Otfried July bei seinem gestrigen Besuch in der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf.
Künftig nur noch ein halbes Jahr Zivildienst? „Das halte ich für zu kurz“, sagte July. Die Auswirkungen und die Bedeutung des Zivildienstes für die Gesellschaft würden oftmals unterschätzt. Seine Forderung: Wenn schon gekürzt werde, dann sollte der Freiwilligendienst umgebaut werden, „mehr Geld und Fantasie“ hineingelegt werden. Die Gelder, die durch die Kürzung eingespart würden, sollten wieder für solche Dienste eingesetzt werden.
Damit liegt er auf einer Linie mit Wolfgang Hinz-Rommel. Der Abteilungsleiter „Freiwilliges Engagement und Zivildienst“ des Diakonischen Werks findet: „Wenn im Zivildienst gespart wird, sollte das Geld den Freiwilligendiensten zugutekommen.“ Es gebe Einrichtungen, die wegen des gekürzten Zivildienstes umstellen, nämlich auf das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Derzeit allerdings absolvierten lediglich vier bis fünf Prozent aller Jugendlichen solch ein Soziales Jahr. „Wenn die Regierung das Geld beispielsweise in eine Kampagne für das Soziale Jahr reinstecken würde, dann gäbe es auch mehr Interessenten.“ Es gehe auch darum, das FSJ für Männer attraktiver zu machen.
Hinz-Rommels Meinung nach gibt es nun eine Verlagerung der Zivi-Aufgaben. Die jungen Männer würden eher einfache Tätigkeiten übernehmen, eben solche, für die sie nicht lange eingearbeitet werden müssen. „Ich denke aber nicht, dass es einen Ausstieg aus dem Zivildienst bedeutet.“
Erfahrungsaustausch: Andreas Walker, Landesbischof Frank Otfried July und der Bundesbeauftragte für Zivildienst Dr. Jens Kreuter (von links) sprechen mit Zivis. Bild: Cathrin Müller
Auch Dr. Jens Kreuter, der Beauftragte der Bundesregierung für den Zivildienst, ist gestern in die Einrichtung nach Remseck gekommen. Seine Meinung zur derzeit diskutierten Kürzung? „Das habe ich nicht zu kommentieren, sondern umzusetzen. Ich finde es nicht gut oder schlecht, sondern ich finde es vor.“ Aber er nehme es durchaus ernst, wenn Einrichtungen sagten, sie könnten mit sechs Monaten nicht viel anfangen.
In der Evangelischen Jugendhilfe im Landkreis arbeiten derzeit vier Zivildienstleistende. Auch sie waren, gemeinsam mit vier Kollegen der Diakoniestation Remseck und der Karlshöhe Ludwigsburg, bei der gestrigen Diskussionsrunde dabei. Und ihr Urteil fiel eindeutig aus: Keine Hand wurde nach oben gestreckt, als Kreuter in die Runde fragte: „Wer findet die Kürzung gut?“. Immerhin sechs Zivis meldeten sich, als Kreuter die Frage „und wer findet’s schlecht?“ nachschob.
Wirklich diskutiert wurde über die Kürzung gestern aber nicht, vielmehr sollten die Zivis ihre Erfahrungen schildern, die sie bei ihrer Arbeit machten. Und die sind im Großen und Ganzen positiv. Gerade diejenigen, die bei „Essen auf Rädern“ mithelfen, merken, wie glücklich ältere Leute über die Begegnungen sind.
Wie Andreas Walker, kaufmännischer Vorstand der Jugendhilfe, sagte, sei die Kürzung gerade für die Beziehungsarbeit negativ. „Wenn sich der Betreute alle sechs Monate an jemand Neuen gewöhnen muss, ist das schlecht.“ Generell seien sechs Monate zu kurz, schließlich müssten die Zivis eingearbeitet werden, zusätzlich gingen sie in Urlaub und zu Seminaren.
Dorothee Kauer